Ein Radfahrer unternahm mit seinem Mountainbike ein Tour. Dabei bog er von einer für Autos gesperrten Straße auf einen unbefestigten Feldweg ab. Nach ca. 50 Meter befand sich eine Absperrung auf dem Weg. Diese bestand aus zwei mitten auf dem Weg befindliche Holzlatten, an denen auch ein Verbotsschild für Kraftfahrzeuge (Zeichen 260) befestigt war. Die Holzlatten wurden durch zwei waagerechte Stacheldrähte gehalten, die wiederum an seitlich vom Feldweg stehende Holzpfosten befestigt waren. An einem der Pfosten konnten der Stacheldraht gelöst werden, um die Absperrung zu öffnen. Der Radfahrer sah den Stacheldraht zu spät und bremste abrupt. Dabei stürzte er kopfüber in die Absperrung und brach sich den Halswirbel. Seitdem ist er querschnittsgelähmt und dauerhaft pflegebedürftig.
Die Absperrung war im Übrigen in den 80er Jahre mit Zustimmung der beklagten Gemeinde durch den damaligen Jagdpächter errichtet worden. Am Unfalltag waren zwei Jagpächter für das Revier zuständig. Diese nutzten den Feldweg auch regelmäßig, um zu einem ihrer Hochsitze zu kommen.
Muss ein Radfahrer mit über den Weg gespannten Stacheldraht rechnen?
Der Radfahrer verklagte die Gemeinde sowie die beiden Jagdpächter auf Schmerzensgeld, Schadenersatz sowie Kostenerstattungen für Heil- und Hilfsmittel, Behandlungs- und Pflegeleistungen. Er machte geltend, die Gemeinde als Eigentümerin des Feldweges und die Jagdpächter hätten ihre Verkehrssicherungspflichten verletzt. Für den Geschädigten sei die Absperrung erst aus einer Entfernung von höchstens acht Metern erkennbar gewesen.
Vorinstanzen sahen nur teilweise Schuld
Die 1. Instanz hatte die Klage als unbegründet abgewiesen. Auf die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers hatte die 2. Instanz das Ersturteil teilweise abgeändert. Sie rechnete dem Kläger allerdings einen Mitverschuldensanteil von 75 % zu, so dass ihm nur ein Teil der geforderten Summe zugesprochen wurde. Daher ging der Kläger in Revision.
Stacheldraht als tückisches Hindernis
Der BGH hob die Urteile auf und verwies die Sachen zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurück. Mit Recht hatte die Vorinstanz eine schuldhafte Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch die Beklagten bejaht. Denn ein quer über einen für Radfahrer zugelassenen Feldweg gespannter und nicht auffällig gekennzeichneter Stacheldraht sei verkehrswidrig. Ein solches Hindernis sei angesichts seiner schweren Erkennbarkeit völlig ungewöhnlich. Aus seiner Beschaffenheit als Stacheldraht resultiere außerdem eine besondere Tücke. Mit beidem habe der Fahrradfahrer nicht rechnen müssen.
Gemeinde und Jagdpächter sind für Zustand von Feldweg verantwortlich
Grundsätzlich habe die Gemeinde für den verkehrspflichtwidrigen Zustand des Feldweges zu haften, so der BGH. Dies folge aus ihrer Eigenschaft als Trägerin der Straßenbaulast. Die Haftung der Jagdpächter wiederum folge daraus, dass die Absperrung ursprünglich von einem früheren Jagdpächter errichtet wurde, um eine Wildruhezone zu schaffen. Die jetzigen Jagdpächter hätten mit der Übernahme der Jagdpacht auch das Recht erworben, das Stacheldraht-Hindernis weiterhin zu benutzen. Daraus resultiere aber auch die Verpflichtung, für dessen Verkehrssicherheit zu sorgen.
Radfahrer müssen nicht im Schneckentempo fahren
Der BGH entschied auch, der Kläger habe nicht gegen das Sichtfahrgebot verstoßen. Damit sei ihm kein Mitverschulden am Unfall anzulasten. Das Sichtfahrgebot verlange, dass der Radler innerhalb einer übersehbaren Strecke auf der Straße vor einem Hindernis anhalten kann. Allerdings müsse der Radfahrer seine Geschwindigkeit nicht auf Objekte ausrichten, die aus größerer Entfernung noch nicht zu erkennen sind. Dies betreffe z.B. Hindernisse, die wegen ihrer besonderen Beschaffenheit nur schwer erkennbar sind oder auf die nichts hindeutet. Anderenfalls dürften sich Fahrer stets nur mit minimalem Tempo bewegen, um noch rechtzeitig anhalten zu können.
Stacheldraht als atypisches Hindernis
Beim Stacheldraht habe es sich um ein solches schwer erkennbares atypisches Hindernis gehandelt, entschied das Gericht. Daran änderte auch das an den Holzlatten befestigte Verkehrsschild nichts. Im Gegenteil habe es eher den Eindruck erweckt, der Weg sei für Radfahrer frei passierbar.
Mitverschulden wegen Nutzung von Klickpedalen noch zu klären
Nach Ansicht des BGH müsse jedoch ein Mitverschulden des Klägers wegen der Nutzung von Klickpedalen geprüft werden. Das Mitverschulden könne aber bei allenfalls 25 % liegen. Hierzu müsse das Berufungsgericht noch weitere Feststellungen treffen, um zu einer Entscheidung zu kommen.